Du sitzt in einem kleinen Boot mit zehn anderen und wartest auf den Augenblick, in dem ein Guide "Whale!" ausruft. Du schaust gebannt und kannst den Umriss eines riesigen Wales nahezu direkt neben dem Boot ausmachen. Mit viel Glück schwimmt er ein Stück weiter und hat gerade Lust zu springen – dein Traum geht in Erfüllung. Wie du diesen Traum zum Beruf machen kannst und wie man als Whalewatching-Guide auf den Azoren sehr nachhaltig mit den eindrucksvollen Tieren umgeht, erfährst du im Interview mit Lynn.
Lynn lebt seit sechs Jahren auf den Azoren und ist noch immer begeistert von ihrer täglichen Arbeit. Seit vier Jahren begleitet sie Reisende auf ihren Walbeobachtungsabenteuern. Es ist immer wieder schön zu sehen, welche Reaktionen die Wale bei den Touristen auslösen! Vor allem bei denen, die zum ersten Mal eine Whalewatching-Tour unternehmen. Wer mit travel-to-nature auf Pico unterwegs ist und Wale beobachten geht, der hat gute Chancen, bei Lynn mit im Boot zu sitzen.
Lynn, du bist mir als Guide bei der Walbeobachtung auf den Azoren aufgefallen. Deine Leidenschaft für die Meeressäuger ist echt ansteckend. Wie wird man Whalewatching-Guide auf Pico?
Nun, für mich hat es gerade wegen dieser Leidenschaft funktioniert. Ich war selbst nur als Touristin hier auf Pico und bin an einem verregneten Tag im März mit hohem Seegang und wenigen anderen Touristen auf dem Boot gewesen. Wir haben mit viel Glück einen Blauwal gesichtet. Da das schon immer mein Lebenstraum war, konnte ich an Bord nicht mehr an mich halten und habe gleichzeitig geweint und gelacht vor Freude, als wir diesen wunderschönen Riesen beobachten durften. Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf vom Chef des Unternehmens, der von meiner Reaktion gehört hatte und mich fragte, ob ich nicht für ihn arbeiten wolle. Damit war die Sache klar. Man kann aber auch Meeresbiologie studieren und sich dann bewerben oder eben mit viel Enthusiasmus und Einsatz versuchen, ohne diesen Hintergrund einen Job zu finden.
Du hast ja einige Erfahrungen mit Whalewatching. Wie du weißt, ist uns Artenschutz sehr wichtig. Auf was kommt es beim nachhaltigen Walbeobachten an?
Ich denke, es ist unerlässlich, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es den Tieren geht, die man beobachtet. Wilde Tiere lassen sehr klar erkennen, ob sie sich in der Gesellschaft von Menschen wohlfühlen oder nicht. Mit ein bisschen Erfahrung erkennt man diese Zeichen und dann ist es wichtig, dass nicht die Profitgier der touristischen Unternehmen über den sensiblen Umgang mit den Tieren siegt. Neben einem Mindestabstand zu den Walen und einer Maximalanzahl von Booten kommt es deshalb auf eine genaue Beobachtung und klare Grenzen in der Philosophie des Unternehmens an.
Wenn bereits fünf Boote an demselben Tier "kleben", dann muss man den Touristen an Bord erklären, warum es in diesem Fall besser ist, nicht zum Wal heranzufahren – auch wenn enttäuschte Gesichter damit vorprogrammiert sind. Sofern man erläutert, warum es so wichtig ist, die Tiere zu schonen und sie wirklich nur zu beobachten (nicht zu bedrängen oder zu jagen), dann erhält man Verständnis und oft sogar mehr als das. Mit etwas Geduld kann man später wieder zu jenem Wal zurückkehren, schauen, ob die anderen Boote weg sind und hoffen, dass das Tier noch ruhig ist. Taucht es aber beispielsweise häufiger als gewöhnlich ab oder – wie bei Pottwalen üblich – versteckt es sich einige Meter unter der Oberfläche oder beschleunigt seine Geschwindigkeit, um von uns wegzukommen, dann gilt auch hierbei, klare Grenzen zu ziehen und die Tiere an erste Stelle vor allen anderen Interessen zu setzen.
Wie stehst du zum Schwimmen mit Delfinen?
Ich muss immer ein bisschen grinsen, wenn ich diese Frage höre. Das ist eins meiner bevorzugten Themen und ich könnte jahrelange Reden darüber schwingen. Als ich hier auf Pico ankam und hörte, dass man mit Delfinen schwimmen kann, war ich sofort Feuer und Flamme. Als unbedarfte Großstadtgöre hatte ich mich mit diesem Thema nie näher beschäftigt und die Flipper-Filme aus meiner Kindheit hingen noch als Traum in meinem Kopf fest.
Das änderte sich allerdings schlagartig, als ich in meiner Funktion als Guide das erste Mal Touristen zu den Delfinen ins Wasser ließ. Auf den Azoren gibt es fünf verschiedene Arten von Delfinen, mit denen man theoretisch schwimmen darf. Die Streifendelfine fallen wegen ihrer Menschenscheu hier im Atlantik raus, Fleckendelfine gibt es nur im Sommer und Große Tümmler sind nicht immer in der Gegend. Deshalb sind besonders die heimischen Rundkopfdelfine und die häufig vorkommenden Gewöhnlichen Delfine von diesem "Problem" schwerpunktmäßig betroffen.
Was unser Traum sein mag, Auge in Auge spielend mit wilden Delfinen im Wasser zu sein, die uns permanent anlächeln und an uns interessiert sind, ist eine Illusion und der absolute Albtraum für die Tiere. Auf den Azoren sieht man keine Delfine, wenn man vom Land aus ins Wasser geht. Hier muss man von Zodiacs, sogenannten Speedboats, aus ins Wasser springen.
Damit fängt das ganze Übel an: Allein an der Südküste von Pico sind geschätzte 30 Boote jeden Tag von März bis Oktober von 8:30 Uhr morgens bis ca. 20:30 Uhr abends unterwegs. Ein Großteil davon für das Schwimmen mit Delfinen. Gruppen von Delfinen werden aufgespürt und mit mehr als 300 PS verfolgt. Dann werden unerfahrene Schwimmer mit Flossen und Schnorchel wortwörtlich vom Boot ins Wasser geschmissen, platschen laut ins Reich der Tiere und versuchen spritzend und lärmend, so nah wie möglich an die Tiere heranzukommen – was meistens nicht gelingt. Denn die Tiere tauchen tief ab und versuchen zu entkommen. Also packt man die Touris wieder zurück ins Boot, verfolgt die Delfine und wiederholt den Vorgang. Das Spektakel geht solange, bis alle an Bord mit den Tieren im Wasser waren. Man stelle sich dazu bitte Boote mit bis zu 30 Personen vor. Wenn die Delfingruppen schon völlig "ausgebrannt" sind und nur noch fliehen wollen, wird teilweise im Kreis um die Tiere herumgefahren, um sie an einem Ort zu behalten. Oder sogar mehrere Boote treiben die Tiere zusammen. Denn wenn Delfine unterwegs sind, ist Schwimmen mit ihnen unmöglich. So schnell ist keiner von uns im Wasser.
Weswegen wir nur dann mit den Tieren schwimmen können, wenn sie eigentlich gerade damit beschäftigt sind, etwas anderes zu tun: wie zum Beispiel zu fressen, sich zu sozialisieren oder auszuruhen. Das heißt, dass sie genau diese Aktivitäten jedes Mal, wenn wir zu ihnen ins Wasser gehen, unterbrechen müssen, um vor uns zu fliehen. Der Alltag der Delfine existiert also nicht mehr wirklich. Da liegt es auf der Hand, dass mit diesem Verhalten von uns Menschen die betroffenen Delfinpopulationen nachgewiesenermaßen ungesünder und kleiner werden. Das kann und darf nicht in unserem Interesse sein. Also bitte, kein Delfinschwimmen mehr! Nirgendwo!
Was kann ich als Tourist für den Schutz der majestätischen Tiere tun?
Sich einsetzen, den Mund aufmachen, Organisationen unterstützen, die sich nicht profitorientiert dem Schutz dieser Tiere widmen. Und vor allem: Das eigene Leben ein bisschen nachhaltiger gestalten. Ein bisschen weniger Plastik kaufen, ein bisschen mehr Initiative beim Umweltschutz zeigen, gelegentlich als gutes Vorbild ein bisschen Müll aus der Natur einsammeln. Sowas in der Art. Ich finde es wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen und unser Leben so zu leben, wie wir es von unseren Mitmenschen erwarten und sich um die Natur zu kümmern, die wir so dringend brauchen und von der wir ein Teil sind.
Wann kann ich denn Wale auf Pico beobachten?
Theoretisch von Ende März bis Anfang November. Aber wie du selbst erlebt hast, kommt es immer auf das Wetter an. Hier auf den Azoren kann man alle vier Jahreszeiten an einem Tag erleben und wenn das Meer es nicht erlaubt, fahren wir natürlich nicht raus. Deshalb kann es auch nie eine Garantie für das Sehen der Wale geben. Doch wenn man ein bisschen flexibel ist und keine Angst hat, nass zu werden, dann ist einem ein Abenteuer mit den beeindruckenden Tieren beinahe sicher.
Lynn, was war dein tollstes Erlebnis auf deinen Touren?
Ich liebe jede Ausfahrt – ganz egal, was wir sehen. Die tollsten Erlebnisse sind jene, bei denen die Tiere von sich aus Interesse bekunden und mit uns interagieren. Ein Erlebnis, das ich sicher nie vergessen werde, war ein Blauwalkalb, das immer, wenn seine Mutter zum Fressen abtauchte, die Distanz zu unseren zwei Booten überwand. Es schwamm unglaublich neugierig an die Boote heran, tauchte drunter durch und rieb sich sogar zweimal an unserem Boot. Ich wäre am liebsten sofort ins Wasser gesprungen und dageblieben. Es verweilte mehr als eine Stunde interessiert bei uns und die Gesichter der Touristen auf dem Boot werde ich niemals vergessen. Ich weiß nicht, ob es einen anderen Job auf der Welt gibt, bei dem man so viel Glück in den Augen von Menschen sehen kann, wie bei diesem.
Lynn, wir hoffen, du behältst deine Begeisterung! Und ich hoffe auch, dass viele naturbegeisterte Gäste von travel-to-nature mit eurer Agentur in See stechen.
Wir möchten das Reisen mit eurer Hilfe besser machen. Für jeden von uns.Unsere SigNature Reisen
Reisevorschlag
Naturreisen mit travel-to-nature
- Einzigartige Naturmomente
- Perfekte Organisation
- Excellente Naturguides
- Transparentes Engagement
- Handverlesene Unterkünfte
Grüner Mehrwert
- Pro Teilnehmer spenden wir 25€ an unser Moorschutz-Projekt in Litauen
- Transparentes Engagement für den Natur- und Artenschutz